„Fountain of Youth“ von Guy Ritchie: Eine Verbeugung vor Indiana Jones

Bremsen kreischen, Reifen malen dicken Striche auf den Asphalt, dann kracht das Blech. Regisseur Guy Ritchie steht auf Verkehr, der zu Chaos wird, sei es in Bangkok, sei’s in London. Und immer steht bei den Verfolgungsjagden Luke Purdue im Mittelpunkt, der Schatzsucher, der Schätze an fremden Wänden findet.
Der Kunstdieb stiehlt ein Bild in Bangkok, und kaum in London, klaut er Rembrandts „Haupt Christi“ aus der National Gallery – unter den Augen seiner Schwester Charlotte, die hier Kuratorin ist. „Im Leben geht es ums Abenteuer“, sagt dieser Luke Dreamwalker und will sie überreden, wieder mit ihm zu abenteuern, wie früher, als beider Vater noch lebte.
Charlotte hat inzwischen ein anderes Leben, ihre Abenteuer heißen Scheidung und Sorgerechtsstreit. Sie hält Lukes neuestes Projekt für ein Hirngespinst. Und so beginnt „Fountain of Youth“, die Suche nach dem Jungbrunnen, dem Heilmittel gegen das Altern und den natürlichen Tod, der als Zugaben auch noch Reichtum und Schönheit bereithalten soll. Es war nicht einmal Lukes Idee sondern die des unheilbar kranken Multimilliardärs Owen Carver (Domhnall Gleeson).
„In jedem Mythos, in jeder Fabel steckt ein Funken Wahrheit“, sagt Luke. Hätte Indiana Jones nicht besser sagen können, der immerhin schon bewiesen hat, dass es die Bundeslade mit den Zehn Geboten gibt, nicht zu vergessen den Heiligen Gral. Dass Lukes und Charlottes verstorbener Vater Harrison hieß, unterstreicht, dass Guy Ritchie auch Indiana Jones mag.
Pech, dass der liebe Gott diesen Ort vor der Menschheit verborgen halten möchte. Weshalb der eigentlich Allmächtige eine auserwählte Menschengruppe namens „Beschützer des Pfades“ zur Geheimhaltung des Brunnens verpflichtet hat, weiß allerdings, nun ja, der Herr allein.
Luke und seine Teamgefährten Deb (Carmen Ejogo) und Murph (Laz Alonso) wissen dagegen, dass sich im 16. Jahrhundert sechs Künstler zusammentaten, um den Brunnen zu offenbaren – mit einem Rätsel: In sechs Gemälden zum Leben Jesu fänden sich Codes – „Sex et unum“ (Sieben und Einer) und die Buchstaben D, K, C, I und E. Diese Bilder müsse man zusammentragen: Caravaggios „Die Gefangennahme Christi“, Rubens‘ „Kreuzabnahme“, und so weiter.

Dem Ziel nah: Die Abenteurer in der Cheops-Pyramide, wo der Multimilliardär Carver (Domnhall Gleeson, r.) eine Überraschung bereithält. Szene aus dem Film "Fountain of Youth".
Quelle: Apple TV+
Nein, der charmante John Krasinski, den Filmfans als tragischen Vater aus dem Sci-Fi-Film „A Quiet Place“ (2018) kennen, ist als hasardeurhafter Archäologe nicht so leinwandfüllend wie Harrison Ford, aber es geht ja in diesem Fall auch nur um Bildschirmpräsenz auf großen Flatscreens. Weil Charlotte doch mitkommt (ihr cleverer elfjähriger Sohn Thomas, gespielt von Benjamin Chivers auch), sorgt Natalie Portman als moralisches Gegengewicht zu Luke, für einiges Vergnügen.
Und, nein, „Fountain of Youth“ ist keins der schrullig-schönen Temperamentbündel des englischen Regisseurs à la „Snatch“ (2000) oder „The Gentlemen“ (2018), eher ein passabler Zweistunden-Zeitvertreib für die Kunden des Streamingdiensts Apple TV+, das bislang im Ruf des kleinen Qualitätshauses unter den bedeutenden Portalen steht. Die ersten drei „Indi“-Streifen sind ikonisch, viele Szenen haben sich ins Gedächtnis gebrannt. Solche will Ritchie auch.
Und so holt er erst einmal die für unsinkbar gehaltene Lusitania vom Meeresgrund, wohin sie am 7. Mai 1915 vor der Südküste Irlands von einem U-Boot der deutschen Kaiserlichen Marine geschickt worden war. Im Tresorraum des einstigen Problemdampfers soll das letzte der zu beschaffenden Meisterwerke stecken. Ritchie lässt alsdann ein Verfolgerteam unter Esme (Eiza González), auf dem nicht allzu imposanten Wrack landen – sie ist eine der mythischen „Beschützerinnen“. Als Nächstes trifft ein Interpol-Mann Jamal Abbas ein, Minuten später ein Mafiascherge, den man schon von der Straßenhatz in Bangkok kennt. Und: Action!
In einem Film, der noch einen apart choreografierten und fotografierten Zweikampf im spektakulär schönen Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek enthält und einen sehenswerten Showdown in Ägypten. Bei dem man den größeren 08/15-Schusswechsel in der ersten Hälfte indes getrost dazu nutzen kann, sich mit Snacks zu versorgen. Zeitlupe wird an Szenen verschenkt, die keiner Verlangsamung bedurft hätten.
Und immer wieder träumt Luke von einem Whiskyglas mit einer glühenden Flüssigkeit darin – und es kein schöner Traum. Esme warnt, dass Luke nicht wisse, was er heraufbeschwört. Auch Charlotte mahnt, dass es vielleicht einen Grund für Gottes Geheimniskrämerei gebe.
Gegen Ende wird es dunkler, ernster, die simple Botschaft von der Geschichte scheint auf: Dass Superreiche oft supergierig sind, eine Perversion des Kapitalismus, es ihnen an Menschenliebe mangelt und manche davon träumen, ein Superheld, eine Ein-Mann-Supermacht zu sein. Wir schließen Bill Gates davon aus, denken aber ganz fest an Captain Tesla, als es dem Milliardär im Film ergeht wie damals den Nazis in „Jäger des verlorenen Schatzes“.
„Fountain of Youth“, Film, 125 Minuten, Regie: Guy Ritchie, mit Natalie Portman, John Krasinski, Eiza González, Carmen Ejogo, Domnhall Gleeson, Laz Alonso (streambar bei Apple TV+)
rnd